Umsatzsteuersätze ab 01.07.2020 bei 16% u. 5%
Änderungen des Umsatzsteuergesetzes
Senkung der Steuersätze
Sehr geehrte Mandantinnen und Mandanten,
die Bundesregierung hat mit dem sog. „Konjunkturpaket“ weitreichende Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft auf den Weg gebracht, die insbesondere bei der Umsatzsteuer zu erheblichen Änderungen führen.
Sie alle haben sicherlich den einschlägigen Presseberichten die bevorstehende Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes von 19% auf 16% bzw. von 7% auf 5% entnommen („Niedrigsteuerphase“).
Wir möchten Ihnen mit diesem Schreiben die wichtigsten Gesichtspunkte umrisshaft darstellen und bitten Sie zugleich, sich bei Fragen an uns zu wenden.
Die Geschwindigkeit der Umsetzung hat zur Folge, dass noch zahlreiche Details ungeklärt sind und im Einzelfall der Prüfung bedürfen.
1. Senkung des Umsatzsteuersatzes
Für alle gilt die Herabsetzung des USt-Satzes ab dem 01.07.2020 und endet mit Ablauf des 31.12.2020 („Niedrigsteuerphase“).
Ab 2021 gelten wieder Umsatzsteuersätze von 19% und 7%, wie bisher schon.
Für Gastwirte gilt eine Sonderregelung bis zum 30.06.2021 fort, die wir jeweils individuell erläutern werden.
2. Handlungsbedarf
Handlungsbedarf kann sich sowohl für den Eintritt in die „Niedrigsteuerphase“ zum 01.07. als auch bei der Rückkehr in die „Normalsteuerphase“ zum Jahreswechsel ergeben.
3. Anwendung
Die gesenkten Umsatzsteuersätze von 16 % bzw. 5 % gelten für alle Lieferungen, sonstigen Leistungen und innergemeinschaftlichen Erwerbe, die in der Zeit der „Niedrigsteuerphase“ vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt werden.
Als ausgeführt gelten / die 16% bzw. 5%-Umsatzsteuer entsteht bei
◼ Lieferung: Verschaffung der Verfügungsmacht (Lieferung von Waren)
◼ Werklieferungen: Abnahme durch den Leistungsempfänger (Bauleistungen)
◼ Sonstige Leistung: Vollendung der Leistungserbringung
◼ Werkleistung: Abnahme durch den Erwerber bei Leistungserfüllung
◼ Dauerleistungen: Leistungsende (Beratung, Beförderung)
◼ Zeitlich befristete Dauerleistungen: Tag, an dem der Leistungszeitraum endet (Vermietungen, Leasing, Wartungsverträge)
4. Nicht wichtig
Für die Bestimmung des Umsatzsteuersatzes sind unerheblich:
◼ Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
◼ Lieferbedingungen
◼ Bestelleingang
◼ Bezahlung
◼ Rechnungsdatum
◼ Besteuerungssystem (Soll-/Ist-Versteuerung)
5. Empfehlung zur FiBu
Prüfen Sie, ob (für Selbstbucher) Ihr Programm für die Niedrigsteuerphase alternative Konten vorsieht.
Geben Sie in jedem Fall das Datum der Leistungsausführung in der Rechnung an, zusätzlich und unabhängig vom Rechnungsdatum.
6. Ist-Versteuerer
Sie müssen unterscheiden zwischen dem Leistungsdatum zur Bestimmung des Umsatzsteuersatzes sowie dem Zahlungseingangsdatum zwecks Verbuchung zur Abführung der Umsatzsteuer.
7. Anzahlungen, Vorauszahlungen und Vorausrechnungen
Diese haben grundsätzlich keine Auswirkung auf den Umsatzsteuersatz.
Eine Anpassung erfolgt über die Schlussrechnung.
Beispiel:
Der Unternehmer stellt eine Anzahlungsrechnung in Höhe von (brutto) 11.900 € inkl. 19 % Umsatzsteuer vor dem 1.7.2020 aus und erhält die Zahlung vom Leistungsempfänger / Kunden vor dem 1.7.2020.
Er führt die Leistung ab dem 01.07.2020 aus und der Kunde nimmt diese bis spätestens zum 31.12.2020 ab.
Der Gesamtbetrag beläuft sich auf (netto) 30.000 €.
Lösung:
Die Leistung gilt erst bei Verschaffung der Verfügungsmacht oder Abnahme nach dem 01.07.2020 als ausgeführt und unterliegt damit dem verringerten Umsatzsteuersatz von 16 %.
Die Schlussrechnung muss wie folgt aussehen
Leistung 30.000 €
Umsatzsteuer hierauf (16 %): 4.800 €
Gesamtbetrag Rechnung brutto: 34.800 €
abzgl. Anzahlung ./. 10.000 €
abzgl. Umsatzsteuer (19 %) ./. 1.900 €
noch zu zahlen 22.900 €
8. Unrichtiger Steuerausweis / Kassenbons
Wer ab dem 01.07.2020 Steuersätze weiterhin mit 19% oder 7% auf einem Rechnungsdokument ausweist, schuldet diese auch dem Finanzamt (§ 14c UStG). Sie müssen die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer (3%) abführen.
Der Rechnungsempfänger hat aber nur einen Vorsteuerabzug in Höhe von 16% bzw. 5%.
Aufgrund der kurzen Umstellungsphase ist zu erwarten, dass es in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen zu einem falschen Steuerausweis kommen wird.
Dies vor allem dann, wenn auf den Kassenbelegen die Umsatzsteuer ausgewiesen ist und das notwendige Update der elektronischen Kasse zeitlich scheitert. Es wird sich daher die Frage stellen, wann und wie die falschen Steuerausweise nach § 14c UStG korrigierbar sind. Hierzu beraten wir Sie im Einzelfall gerne persönlich.
Hinweis zur praktischen Umsetzung bei privaten Endkunden
Eine Pflicht zur Rechnungsausstellung i. S. des UStG ergibt sich aus § 14 Abs. 2 UStG.
Zusammenfassend besteht lt. diesem Paragrafen eine Rechnungspflicht bei
a) Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken und
b) B2B-Leistungen (Leistung Unternehmer an Unternehmer).
Im Umkehrschluss bedeutet dies insbesondere, dass gegenüber privaten Endkunden (B2C) keine Pflicht zur umsatzsteuerlichen Rechnungsstellung besteht.
Daher kann privaten Endverbrauchern auch ein Rechnungsdokument ohne Steuerausweis ausgestellt werden, sprich eine Brutto-Rechnung ohne Hinweis auf die enthaltene Umsatzsteuer.
So kann in der Praxis im B2C-Bereich das Risiko des § 14c UStG minimiert werden.
Bei Verwendung einer elektronischen Kasse besteht eine Bonausgabepflicht (§ 146a AO).
Der Gesetzgeber hat aber den Inhalt des Kassenbons nicht präzisiert. Die Ausstellung einer Brutto-Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis sollte aber dennoch den Begriff des Kassenbons erfüllen.
9. Abschließende Empfehlungen
Dauerleistungen
Für Dauerleistungen liegen in der Regel Verträge vor, die als Dauerrechnung verwendet werden (z. B. der Mietvertrag mit allen steuerrelevanten Angaben bei umsatzsteuerpflichtiger Vermietung). Es ist davon auszugehen, dass die Umsatzsteuersätze der „Normalsteuerphase“ von 19 % bzw. 7 % und der Steuerbetrag im Vertrag ausdrücklich angegeben sind.
Handlungsempfehlung:
Mit Wirkung zum 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 sollte eine Vertragsergänzung dahingehend vorgenommen werden, dass die gesenkten Umsatzsteuersätze von 16 % bzw. 5 % und der sich daraus ergebene Umsatzsteuerbetrag anzuwenden sind. Wir unterstützen Sie hierbei gerne.
Wenn Sie umsatzsteuerpflichtig vermieten, reichen Sie uns bitte umgehend Ihren Mietvertrag in Kopie ein, damit wir die erforderlichen Änderungen für Sie vorbereiten können.
Teilleistungen
Handlungsempfehlung:
Vor der Rückkehr in die „Normalsteuerphase“ nach dem 31.12.2020, kann es insbesondere für Endverbraucher oder andere ganz oder teilweise nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer interessant sein, Teilleistungen zu vereinbaren, so dass die verringerten Umsatzsteuersätze von 16 % bzw. 5 % für diese bereits ausgeführten Leistungen angewendet werden können.
Hier sind dann aber entsprechende getrennte vertragliche Abreden erforderlich, damit die Leistungen getrennt abgerechnet und fällig werden (können).
Privatpersonen
Ist ein Vertrag bereits vor dem 1. März 2020 geschlossen worden, und wird die Lieferung, sonstige Leistung, Werklieferung oder Werkleistung nach dem 30.6.2020 ausgeführt oder vollendet, ist der geminderte Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % anzuwenden.
Eine Privatperson oder ein Unternehmer, der ganz oder teilweise vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, kann die Anpassung des Vertrages an den geminderten Umsatzsteuersatz verlangen (§ 29 Abs. 2 UStG).
Handlungsempfehlung:
Der Leistungsempfänger sollte schriftlich gegenüber dem leistenden Unternehmer den Differenzbetrag infolge der Umsatzsteuersatzsenkung einfordern.
PV-Anlage
Lesen Sie zum 30.06.2020 und zum 31.12.2020 die Zählerstände ab!
Bitte beachten Sie: Dieses Hinweisschreiben kann keine einzelfallbezogene, abschließende rechtliche Bewertung ersetzen, sondern dient Ihrer ersten Information.
Gerne stehen wir Ihnen für weitere Fragen und Beratungen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Reichert Tim Kiefer
Rechtsanwalt, Steuerberater Rechtsanwalt, Steuerberater